R.A.T Pack Mörstadt im Motorrad-Höhenfieber: Himalaja-Tour mit Enfield-Bullet. ( Tourfilm und Bericht hier )

10.09.2009, 00:00 Uhr bis 01.10.2009

Himalaja

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RAT Pack Mörstadt im Höhenfieber –

mit Enfield Bullets im Himalaja

 

Knapp 2 Jahre war es nur Träumerei. Doch dann kam endlich der 10.09.2009: Bepackt mit Schlafsack, Motorradkleidung und allem, von dem man glaubt, es für eine Himalaja-Tour zu brauchen, flogen wir (9 Biker und 2 Bikerinnen) erwartungsvoll von Frankfurt nach Delhi und fuhren dann ca. 15 Stunden mit dem Bus nach Norden.

 

Die ersten beiden Nächte verbrachten wir in einem Hotel in Nagar, ca. 1.800 Meter hoch, in der Nähe von Manali und hofften, dass der Monsun bald endet. Durch die starken Regenfälle waren manche Pässe durch Erdrutsche verschüttet und andere waren wegen starken Schneefällen nicht passierbar.

 

So hatten wir aber genügend Zeit unsere Tourguides, Martin und Peter aus Goa, unseren Mechaniker Papu mit Gehilfe und die Küchencrew kennen zu lernen, die uns während der Tour begleiteten. Ohne diese Insider wäre diese Fahrt ein sehr riskantes Unternehmen geworden.

 

Tolle Bikes haben wir als stolze Triumph-Besitzer zu hause. Doch für die luftigen Höhen des Himalajas wechselten wir auf die ehemals britische Motorradmarke Enfield. Mit einem Zylinder, 500 ccm und satten 24 PS hatten wir mit unseren robusten Enfields richtig Spaß und wussten schon nach kurzer Zeit, dass wir für die indischen Straßenverhältnisse genau die richtige Wahl getroffen hatten. Vorsichtshalber wurden wir trotzdem vor der Motorradübergabe in einem kleinen, ehrwürdigen Vishna-Tempel für die Reise gesegnet. Vielleicht war dies der Grund, warum wir uns so schnell an die „falsche Straßenseite“, also den Linksverkehr, gewöhnt hatten.

Die nächsten beiden Nächte verbrachten wir in Zelten auf einer Wiese im Parvati Valley, wo wir von unserer indischen Crew bekocht wurden. Es war unglaublich, mit welch einfachen Mitteln diese immer lächelnden Inder täglich Frühstück und abends ein 3-Gänge-Menü für uns zubereiteten. Natürlich war auch immer für kaltes Kingfisher-Lagerbier und ausreichend „Old Monk“, einem leckeren, 60 prozentigen  indischen Rum, gesorgt. Die Menge der leeren Rum-Flaschen verraten wir jedoch nicht. Nur soviel sei gesagt: Wenn sich die tagsüber scheinende Höhensonne verabschiedet und die Nächte im einstelligen Temperaturbereich sind, gibt es nichts Besseres als eine Tasse Rum und Martins Gitarrenspiel am großen Lagefeuer. Und es gab viele kalte Nächte.................. 

Wem der Rum nicht zum Träumen verhalf, dem konnte im nahen Manikaram, einer Hippiestadt wie aus dem Bilderbuch, geholfen werden: Haschisch an jeder Ecke! Das Zeug wächst dort wie Unkraut und zieht Aussteiger aller Nationen, besonders jedoch Israelis, magisch an. Wir bevorzugten zum Schwindeligwerden jedoch die Hängebrücke über den rauschenden Parvati River.  

Von unserem Zeltplatz starteten wir am nächsten Tag zu den heißen Quellen, die talaufwärts, nur über eine schmale Straße, zu erreichen sind. Dort kann man den Dampf des heißen Wassers in kleinen Höhlen als Sauna benutzen. Doch wir fuhren auf übelstem Straßenbelag noch etwas weiter hoch bis zu einer im Bau befindlichen Staumauer. Das dahinter liegende Tal wird wohl in Zukunft geflutet und die Wasserkraft zur Stromerzeugung genutzt.

Auf steinigen, staubigen Pisten ging es am nächsten Tag über den Jalorie-Pass sehr steil hoch in 3.250 Meter Höhe, in ein Gästehaus in Shoja, wo wir von unserer eigenen Küchencrew versorgt wurden. Endlich konnten wir wieder duschen und hatten auch wieder eine echte Toilette. Spätestens nach diesem Tag war uns genau bewusst, wie schnell bereits ein kleiner Fahrfehler sehr gefährlich enden kann: Schwindelerregende Abgründe am Rand der schmalen, fast immer leitplankenfreien Straßen, plötzlich nach einer Kurve stehende Schafherden mit bis zu 200 Stück oder Wasserdurchfahrten und Steinschläge setzen ein hochkonzentriertes, routiniertes Fahren voraus und erlaubten keine besonderen Angstgefühle, deren man sich anfangs nicht so leicht erwehren kann. Doch Wachsamkeit allein genügt nicht immer: Da auch asphaltierten Straßen häufig sehr schmal sind, muss das kleinere Fahrzeug immer bei Gegenverkehr von der Straße runter.

So hielt auch ein Teilnehmer unserer Gruppe an einem steilen Hang im Gras an, als ihm ein Jeep entgegen kam. Aufgeweicht durch den Monsunregen rutschten jedoch Erde und Gras unter seinen Füßen plötzlich weg und er und sein Motorrad waren sofort nach unten verschwunden. Zum Glück fand er nach wenigen Metern Halt und konnte unverletzt nach oben klettern. Doch das Motorrad lag demoliert und mit verbogener Gabel einige Meter tiefer. Mit gemeinsamer Kraft gelang es, das Motorrad zu bergen und Papu schaffte es, das Bike über Nacht zu reparieren.

Abends krönten wir den „Freeclimber“  mit seinem mit Farn handgeschmückten, demolierten Enfieldscheinwerferkranz und waren uns einig, dass dies kein Wanderpokal werden sollte.

Dann ging es wieder runter durch das Sutley-Valley, nach Shaharan, in ca. 2.000 Meter Höhe. Dort fühlten wir uns in einem staatlichen Hotel besonders wohl, da wir sofort nach der Ankunft in einem idyllischen Garten, direkt am steilen Abgrund und mit herrlichem Blick auf das grüne Tal, mit kaltem Bier verwöhnt wurden und kurz danach die erste und einzige Bar unseres Urlaubes öffnete. Sogar das vom Hotel zubereitete Abendessen war lecker.

Zuvor besichtigten wir den nur wenige Gehminuten entfernten Shri Bhima Kali-Tempel, in dem noch vor ca. 100 Jahren Menschen zum Wohlgefallen der Götter geopfert wurden. Errichtet wurde diese imposante Bauwerk zu Ehren von Narasimha, einer Reinkarnation von Vishnu. Heute ist dieser Kali-Tempel im Besitz des Rajas von Rampur, der Nähe eine Residenz unterhält.

Doch die wunderbare Aussicht auf die mehr als 5.000 Meter hohen Berge in unmittelbarer Nähe lenkte uns von den Gedanken an diese alten Zeremonien ab. 

Unserer stattlichen Karawane mit 13 Enfields und Papu`s Jeep mit Gepäck, Ersatzteilen und Apotheke, fuhr die Küchencrew am nächsten Morgen voraus ins Sangla Valley, damit sie frühzeitig die Bierflaschen in einem Bach für uns kühlen konnten. Unser Zeltplatz war eine idyllische Almwiese in mehr als 3.000 Meter Höhe. Von dort machten wir eine Tour in einen abseits gelegenen Ort, wo wir einen noblen Tempel besichtigten. Dämonendarstellungen im Torbogen des Ortseinganges zeugen von der Nähe zu China und sollen Besucher mit bösen Absichten fern halten. Natürlich konnten wir ungehindert passieren. Nur mit eingezogenem Kopf konnten selbst die kleinsten von uns eine intakte Mühle mit ca. 6 Quadratmeter großen Grundfläche betreten, in der auch heute noch das Getreide mit Wasserkraft gemahlen wird.

Wir fuhren weiter in das etwa 3.500 Meter hoch gelegene Chitkul, einem alten, sehr gut erhaltenen Dorf mit vielen Holzhäusern, dessen Zufahrt durch einen kleinen Bach führt. Oft sahen wir „Yak-Fladen“, die in der Sonne auf Mauern getrocknet wurden, damit sie im Winter als Brennmaterial dienen.

Noch am Abend vor unserer Weiterfahrt stand nicht fest ob wir die Tour fortsetzen konnten, denn frische Erdrutsche hatten weitere Pässe verschüttet. Da wir bis zu diesen Passagen aber noch 3 oder 4 Tage zu fahren hatten, wollten wir wenigstens bis Nako weiter kommen und unser Glück versuchen.  

So erreichten wir am nächsten Abend unser Gästehaus in Kalpa, an der Hindustan Tibet Road, in knapp 3.000 Meter Höhe und waren erstaunt, dass es in dieser Lage noch Vegetation gibt.  Apfelbäume soweit das Auge reicht. Wer hätte dies bei der hier wirklich kurzen Wachstumszeit gedacht? Doch noch imposanter  war der herrliche Blick in der Morgen- oder Abendröte auf den 6.050 Meter hohen „Kinner Kailash“. Dies ist der heilige und legendere Berg, den der Gott Shiva als Winterdomizil nutzt. Im Sommer wohnt er in Tibet auf dem dortigen Berg Kailash, den jedes Jahr unzählige Pilger im Uhrzeigersinn umrunden. In diese Richtung wird auch eine Gebetsmühle gedreht.

Leicht aufregend war die steile Bergabfahrt am nächsten Tag für die ersten der Truppe, denn völlig überraschend kreuzte nach einer Kehre ein Horde von ca. 20 wilden Affen die Fahrbahn. 

In diesem östlichen Teil unserer Tour hatten wir mehrere Tage keinen Handy-Empfang, da wir uns im Grenzgebiet zu Tibet bewegten. Die Chinesische Grenze ist oft nur 10 oder 20 km weit entfernt. Wir benötigten eine besondere Genehmigung mit Passfoto, Visa- und Führerscheinkopie sowie vieler Unterschriften für dieses Sperrgebiet, das erst seit ca. 10 Jahren bereist werden darf. Kontrollen dieses Inner-Border-Line-Permits waren an der Tagesordnung. Aber unser Tourguide Peter hatte, dank der sprachlichen Hilfe seiner Freundin Yangs, die aus Bhutan stammt, alles im Griff.  

Gut gelaunt fuhren wir nun vom Sutley Valley hoch ins Spity Valley und erreichten Nako in ca. 3.600 Meter Höhe, dem höchsten Ort in diesem Tal. Trotz Hotelübernachtung wurden wir von unserer eigenen Küchencrew bekocht, da die Vorräte im Hotel nicht besonders ergiebig waren.

In unmittelbarer Nachbarschaft bauten Soldaten ihr Zeltcamp auf und mit unseren vorwiegend israelischen Zimmernachbarn boten wir alle zusammen wohl einen eher ungewohnten Anblick für die wenigen Einwohner dieses alten Dorfes.

Die Orte wirken ganz anders, als man es von Indien erwartet. Wir nennen die Region „Little Tibet“, da dies am Besten die Kultur und das Aussehen der Bevölkerung beschreibt. Buddhismus ist der dort wirklich gelebte Glaube und den brauchen die Menschen auch, um nicht zu verzweifeln. Nur ca. 4 Wochen im Frühjahr und ca. 4 Wochen im Herbst sind manche Orte zu erreichen. Doch in jeder noch so kleinen Siedlung gibt es Mönche und Tempel. Vielleicht ist es genau deren Verdienst, dass alle dort so zufrieden und friedlich wirkten.   Erstaunt beobachten wir eine Familie beim Ausheben eines Erdloches, in dem wohl für den Winter ein Getreidevorrat eingegraben werden sollte.


Doch wie hätten sich die Bewohner auch sonst ernähren sollen? In den von uns besuchten Regionen, die hier Kinnaur heißt, gibt es nur sehr wenige Trekking-Touristen und fast keine Kaufkraft der wenigen Einwohner. Deshalb findet fast kein Güterverkehr statt. Mit Kartoffeln oder Getreide sowie Gemüse versorgt sich jede Familie selbst. Die Feldarbeit wird mit einem Ochsen erledigt. Da dieser eine Ochse genügt, werden alle weiteren männlichen Nachkommen ihrem Schicksal überlassen und nicht gefüttert. In der kargen Gegend führt dies unweigerlich zum Hungertod.

Dies war für uns nicht so verständlich, denn wir hätten gerne mal wieder ein ordentliches Stück Fleisch gegessen. Vielleicht war das der Grund, weshalb wir ein halb verhungertes Jungtier mit unserem Reisbrei und Milch gefüttert hatten. 2 oder 3 Tage konnten wir so das Leben des bestimmt leckeren Tieres verlängern. Und so träumte manch einer noch bis zum Heimflug von Schnitzelbrötchen.

Zu Fuß erkundeten wir die schmalen Wege durch das authentische Dorf und betrachteten den kleinen, heiligen See, bevor wir uns zu einem einige Hundert Meter höher gelegenen Tempel quälten. Die Aussicht war herrlich, doch die dünne Luft erschwerte jeden Meter, den wir auf dem meist nur zu erahnenden, steinigen Weg nach oben, meisterten. Trotzdem umrundeten wir den Tempel im Uhrzeigersinn, wie dies von uns mittlerweile als selbstverständlich bei allen Stätten mit religiösem Charakter gehandhabt wurde. Und Tempel, die man hier Gompa nennt, sahen wir auf unserer Tour häufig. Der älteste dieses Ortes wurde von dem bekannten Guru Rinponche gegründet. Der als großer Übersetzer bezeichnete Rinchen Zangpo (958 – 1055) soll, außer dem Tempel hier, 107 weitere gegründet haben.  

Handgefertigte Taschen, Schmuck und Klangschalen kaufen wir dort in den Bergen, denn wer kann die wenigen Rupien, die wir dafür zahlen mussten, besser gebrauchen, als die arme Bevölkerung in diesem vom Massentourismus noch verschonten Ort?

Ausgerechnet hier fanden wir für den Abend etwas Rotwein, den wir schon lange vermisst hatten.

Am nächsten Tag kam dann, was wir bis dahin erfolgreich verdrängt hatten: Die Straße war einfach weg. Und vor uns warteten bereits mehrere Fahrzeuge auf die Weiterfahrt. Am schwindelerregenden Abgrund saßen Frauen geduldig beim Brotteigkneten und lauschten einem für uns monotonen und aufdringlichen, lauten Radio. Es war kaum zu fassen. Außer uns war anscheinend jedem die Zeit egal. Verzweiflung, Wut, Angst? Wahrscheinlich wechselten unsere Gedanken im Sekundentakt.

Leicht unsicher wie es weiter gehen sollte, aber trotzdem neugierig drängten wir vor die wartenden Autos an die Stelle, an der man eine Sprengung und einen Bagger sah. Es gab keinerlei Abgrenzung zum steilen, losen Abhang. Bevor wir uns über die Gefahren Gedanken machen konnten, wurden nur wir Motorradfahrer durch das Geröll gelotst. Zeit zum Abwägen blieb uns sowieso nicht, denn die Arbeiter machten uns auch ohne deutsche Sprachkenntnisse eindeutig klar, dass der Hang weiter rutschte und gleich Steinschläge folgen würden.

 Irgendwie schafften auch die beiden Jeeps mit Gepäck und Proviant nach einiger Zeit diese gefährliche Stelle.  Dann ging alles ganz schnell und einige Kilometer später passierten wir wieder traditionelle Dörfer in beeindruckender Bergnatur des vielen unbekannten „Tibet im Westhimalaja“ und verbrachten unsere Mittagspause in Tabo. Dort besichtigten wir die bedeutende Klosteranlage, die bereits im Jahr 996 gegründet worden sein soll und freuten uns über eine warme Mahlzeit in einer recht kleinen Suppenküche.

Unser Tagesziel war Kaza im Spity Valley, das wir nach teilweise abenteuerlicher Fahrt in ca. 3.700 Metern Höhe erreichten. In einem ordentlichen Gästehaus bezogen wir unser Quartier und erkundeten die Stadt. Für jeden gab es etwas zu entdecken: Ein Restaurant, in dem echte „Schenitzel“ beworben wurden, ein Internet-Kaffe, unzählige Stiefelputzer, Nivea-Creme in kleinen Dosen, eine German Bakery und allerlei kleine Läden, in denen man sogar mit Silber beschlagene Affenschädel kaufen konnte. Und die Stiefelputzer hatten bei uns Hochkonjunktur.

Für Abwechslung war gesorgt, denn es gab meist auch heißes Wasser zum Duschen oder zum Wäschewaschen. Die Abende verbrachten wir mit Martins Gitarrenmusik und entsprechenden Getränken in einem stilvollen Raum, der auch als Restaurant diente. Wie so oft waren die Wände mit Bildern des Dalai Lama geschmückt, da dieser viele unserer Unterkünfte besucht hat, jedoch ca. 3 Monate vor uns. Er war bestimmt weniger durchgerüttelt als wir, denn er zog wohl den Enfields einen Hubschrauber vor, was an den dort eher ungewöhnlichen Hubschrauberlandeplätzen zu erkennen war.

Da wir 3 Nächte in Kaza verbringen konnten, nutzten wir die günstige Lage, um mit den Bikes die Sehenswürdigkeiten der Region zu besuchen. Auf atemberaubenden Pisten ging es nach Kibber, das mit 4.200 Meter lange Zeit als das höchste, mit dem Auto erreichbare Ort der Welt galt. Sogar eine Dorfschule gibt es hier. Imposant war auch der Besuch des Klosters Ki (4.100 m), wo noch heute ca. 150 buddhistische Mönche leben.

Im Dankar Gompa verewigten wir uns im Gästebuch des Klosters, das auf schroffen Felsen gelegen, aus mehreren über enge Steintreppen erreichbaren Tempelräumen besteht. Über Holzleitern kletterten wir auf das Dach und hatten einen spektakulären Blick über den ca. 600 Meter steilen, felsigen Abhang, bis in das malerische Tal. Der einzige in diesem Kloster lebende Mönch zeigte uns gastfreundlich sein kleines Museum und die wertvollen, alten, heiligen Schriften, nach deren Lehre er hoffentlich die gewünschte Erleuchtung erreicht.

Anschließend fuhren wir auf der anderen Seite des Spiti ins Pin Valley, wo wir mit einem Picknick am Flussufer überrascht wurden.

Kunzum La - 4.552 Meter. Mit respektvollen, gemischten Gefühlen sahen wir unserem höchsten Pass entgegen, der noch vor Kurzem wegen Wetterkapriolen unerreichbar schien. Doch viele kannten diesen Pass bereits von Abbildungen, auf denen die unzähligen bunten Gebetsfahnen wehen. Das gibt immer einen schönen Kontrast zum weißen Hintergrund......  .

Vor wenigen Tagen hatten wir bereits von 2 Meter Neuschnee auf dieser Passage gehört. Doch der holprige Weg, über den immer wieder Schmelzwasser floss, nennt sich schließlich Highway und ist die einzige Verbindung zur Zivilisation. Da sollte wohl geräumt sein. Tatsächlich war in eine ca. 3-4 Meter hohe, offensichtlich ältere Schneewand, ein Durchgang geschoben. Vor diesem Abschnitt mussten wir zuerst, wie so oft, durch Schmelzwasser fahren.

Endlich war es geschafft und stolz wurde der Stammtischpulli für das obligatorische Gruppenfoto zu den Gebetsfahnen gehängt. Danach gab es eine warme Mahlzeit, die uns Papu, wie immer freundlich lächelnd, auf der Motorhaube des Jeeps servierte.

Besonders entspannt waren wir trotz der geglückten Überquerung noch nicht, denn uns war klar, dass wir die kommende Nacht im Zelt verbringen sollten. Außerdem wollte sich niemand mehr mit der Frage nach einer Wärmeflasche die Blöße geben. Mit dem Aufheizen eines großen Steines im Lagerfeuer kam man gerade noch ohne Gespött davonund es erfüllte den gleichen Zweck. 

Die Abfahrt in den Distrikt Lahaul führte uns ins wilde Chandra-Tal zu einer Wiese in der Nähe von Chatru. Die uns umgebenden Berge wirkten schroffer und grauer. Überall lagen Steine oder sogar große Felsen von denen man nicht wusste, ob sie am Vortag oder letztes Jahr gerollt waren.

Wir beobachteten mehrere Geier, die in der Höhe um die Bergspitzen kreisten und freuten uns, dass trotz der kargen Gegend Feuerholz aufgetrieben werden konnte. So verbrachten wir den Abend wieder gern mit Martin,  seiner Gitarre und Rum am Lagerfeuer.

Zumindest eine ganz bekannte Persönlichkeit war hier vor vielen Jahren und unter erheblich widrigeren Bedingungen unterwegs: 1944 durchquerte der österreichische Bergsteiger Heinrich Harrer ( 7 Jahre in Tibet), auf seiner Flucht aus einem britischen Kriegsgefangenenlager, diese grandiose Bergwelt. Seinen Lebenslauf und seine Freundschaften zu ergründen und das wirklich einmalige, unterhaltsame Buch „Golden Biker“ mit der Figur des Hermann zu lesen, macht den neugierigen Leser aber vielleicht  nachdenklich, auch wenn dies vom Autor bestimmt nie so beabsichtigt wurde. (www.golden-biker.de

Durch den reibungslosen Ablauf hatten wir einen Reservetag, der uns für eine Tour nach Keylong zur Verfügung stand. Keylong liegt am National Highway auf dem Weg nach Leh in 3.150 Meter Höhe, hoch über dem Fluss Bhagaand. Ringsherum waren die Hänge terrassenförmig angelegt, damit jeder Quadratmeter, der etwas Humus bietet, als Ackerfläche genutzt werden kann. Die engen, steilen Sträßchen des alten Ortes wirkten mit den kleinen Läden wie die Souks in Marokko.

Obwohl wir bereits in viel höheren Lagen gewesen waren, machte besonders den Teilnehmern, die im 7. Stock des Hotels untergebracht waren, die dünne Luft zu schaffen. Niemand litt an der gefährlichen Höhenkrankheit, aber jede Bewegung fiel uns schwer. Trotz lauter Trommelmusik einer indischen Hochzeit im Nachbarhaus schliefen wir nach einigen Kingfisher- Bieren wie die Murmeltiere.

Der wahre Höhepunkt der Tour kam mit dem bekannten Rohtang-Pass oder „Pass der Skelette“. In den Abgrund gefallene Lkws oder Busse werden dort nicht geborgen. Wie dies mit Motorradfahrern gehandhabt wird, wagten wir nicht zu fragen. Der ganze Güterverkehr nach Ladakh rollt über diesen Pass. Befahrbar ist er meist nur von Anfang Juli bis maximal Mitte Oktober. Und jeder, der nach Leh reisen möchte, muss unweigerlich über diesen Pass fahren. Auch einige Jeep-Fahrer der „Himalaja-Safari“, bei der es jedes Jahr Tote gibt, sahen wir auf dieser Strecke.

Unterwegs stärkten wir uns zum letzten Mal an einer kleiner Suppenküche mit einem Jai, dem alltäglichen Masala-Tee, der mit allerlei Kräutern, Milch und Zucker aufgekocht wird

Wir befuhren, von Keylong über das Chandra- Tal kommend, ein Stück der alten, für unsere Verhältnisse unmöglichen „Highway Nr. 21“. Den Namen kann man wirklich nur mit „hoch““ übersetzen. Asphalt gab es auf dem alten Abschnitt nicht einmal ansatzweise.

Doch man höre und staune: Im nächsten Jahr beginnt die österreichische Strabag AG mit dem Bau eines hufeisenförmigen Tunnels, dessen Fertigstellung für Ende 2015 geplant ist. Der Auftragswert beträgt 150 Millionen Euro.

Die Passhöhe selbst wirkte leider schon sehr touristisch vermarktet. Eselsafaris, Hochzeitsgesellschaften, Trekkingtouristen der unterschiedlichsten Nationen und natürlich wir Biker, bevölkerten das eingeschneite Plateau, das wir auch bald wieder verließen. Die ständige Huperei hatten wir uns zwar auch bereits zu Beginn der Tour angewöhnt, doch bei den vielen Lastwagenkonvois wurde es sehr lästig.

 

Schon wenige Minuten später versperrten Jeeps, Lkws und Busse den Weg, da sie zu dicht an zwei größeren, sich begegneten Fahrzeugen, gestoppt hatten.

 

Irgendwie mogelten wir uns durch die Schlaglöcher auf der welligen Piste vorbei und kamen auf die unzähligen, asphaltierten Serpentinen, die hinab ins Tal des Bea führen. Die buddhistisch geprägte, wüstenartige Hochgebirgsregion wechselt hier in das durch den Monsun ergrünte, hinduistische Hügelland, das uns vom Aussehen sehr an die Dolomiten erinnerte.

Wir erreichten Manali mit etwas gespaltenen Gefühlen: Es war beruhigend, dass alle wohlbehalten hier ankamen und die Motorräder in einem passablen Zustand waren. Wir hatten einfach zusammen alles gut gelaunt und unverletzt erreicht, was wir uns erträumt hatten.

Es war aber auch kaum zu fassen, dass dieses Abenteuer schon vorbei sein sollte. Gerade hatten wir uns doch erst an das Enduro- Feeling gewöhnt und alle Skrupel über Bord geworfen. Seit kurzem erst lernten wir den kernseifigen Jai zu genießen und wussten Momos und Eiercurry zu schätzen.

Selbst Martin, Peter und Yangs waren nach knapp 3 Wochen „Flachlandtiroler“ noch gut drauf. Sogar die kleinen Missgeschicke, wie Umfallen im Matsch, Kapitulieren vor den Wasserlöchern oder Feststecken zwischen großen Steinen, nahm niemand mehr wichtig. Etwas abgelenkt von dem Bewusstsein, dass die richtige Tour hier endete, wurden wir nicht von den Einkaufsmöglichkeiten der quirligen, netten Stadt sondern von der guten Pizza und dem leckern Fisch.

Die beiden Tage und Nächte hier in dem sauberen und komfortablen Hotel taten uns trotzdem gut.

Eigentlich war die Reise nun zu Ende. Doch wir mussten erst mit dem Flieger unserer indischen Lieblingsbiermarke „Kingfisher“ nach Delhi. Dies verlief recht angenehm und problemlos.

Doch Delhi braucht kein Hesse, kein Rheinhesse und auch kein Pfälzer. Darin waren wir uns alle einig. Und einig waren wir uns auch schnell in der Gestaltung des freien Tages in der 15 Millionen Stadt, die mit ca. 40 °Celsius und enormer Luftfeuchtigkeit nicht zu einem längeren Aufenthalt animiert: Rotes Fort, India Gate, welches wir kurzerhand wegen der Paraden für die Queen zum „“Lisbett-Boulevard“ umbenannten und dann zu unserer aller Freude: Hard-Rock-Cafe Delhi. Gewohnte Musik, ein guter Hamburger, bzw. ein gutes Filetsteak zu einem echten Tuborg Bier und die Welt war wieder in Ordnung. Oder besser: Wir waren zurück im Westen.

der Heimflug verlief problemlos.  Die Tour wird jedem ewig in Erinnerung bleiben. Schaun wir mal, was als nächstes kommt: Südafrika oder doch die Tour des jungen Che? Reizen würde auch viele von uns eine weitere Fahrt mit den Enfields, auf denen wir dann Rajastan erkunden würden. Auf jeden Fall können wir allen, der sich zu einer Truppe Indien-Fahrer gesellen möchte, die Seiten von www.classic-bike-india.de empfehlen. 

Und das waren die Teilnehmer: Kurt (der Indienkenner), Jupp (der Filmemacher), Heinz-Jürgen (der Enfieldprofi), Manfred (der Rückenfreihalter),  Marcel (der Wasserdurchfahrer), Mirco (der Einkäufer), Ingo (der Ruhepol), Michael (der Fotograf), Patrick (der Schuhputzprofi), Geli (die Mutige), Sigi (die Berichterstatterein) 

Wir wurden umsorgt und begleitet von Martin, unserem bewährten, Gitarre spielenden Tourguide und Peter aus Goa, dem Chef von Classic-Bike-India und seiner Freundin Yangs mit einschlägigen Kenntnissen über Land und Leute und Papu, unserem geschickten Enfield- Mechaniker sowie seinem Gehilfen und der netten, indischen Küchencrew.

Ohne unsere Begleiter wäre die Tour vielleicht ganz schnell eine Tortour geworden. Aber sie waren vor und während der Tour für uns da und wir hatten einen unvergesslichen, abenteuerlichen und problemlosen Urlaub. 

Hier der Bericht als PDF:   rat_pack_moerstadt_im_hoehenfieber 17/10/2009,12:01 37.88 Kb