Hardcore-Tour II, Rund um die Ostsee

01.08.2006

Ostsee

In 13 Tagen um die Ostsee.


Durch Deutschland über Schweden - Finnland nach
St. Petersburg in Russland.


Dann über Estland - Lettland - Litauen - Polen zurück.

Das war das Ziel der Hardcore-Tour II, für die sich 4 Interessenten zusammengefunden hatten.

Leider ist einer davon krankheitsbedingt ausgefallen.

Die restlichen drei waren dort unterwegs:

Die Tour an sich wäre bei normalem Ablauf sicher schon interessant genug gewesen. Was aber in der Woche vor der Abreise passierte trieb meinen Adrenalinspiegel noch einmal zusätzlich gewaltig in die Höhe.

Vor der Abfahrt:

Sonntag, 6.8.2006:
Wir treffen uns zu viert, um die letzten Details vor der Abreise zu besprechen. Unser Hauptorganisator Lotze will montags die Fährtickets vom Reisebüro abholen und Kopien per Mail versenden. Er erwartet die Zusendung der Reisepässe mit den Visa ebenfalls für Montag/Dienstag. Mit der St. Petersburger Agentur will er noch Details bezüglich der Wohnung klären.

Montag, 7.8.2006:
Das versprochene Mail kommt nicht an. Kein Kontakt mit Lotze.

Dienstag, 8.8.2006:
Hans hat erfahren, dass Lotze montags nachmittags in die Intensivstation der Uni-Klinik Mainz eingeliefert wurde und informiert darüber die beiden anderen telefonisch. Bei Jupp und Hans sind die KFZ-Versicherungsunterlagen per Express aus Russland eingetroffen, bei Heiko noch nicht.

Mittwoch, 9.8.2006:
Per Mailkontakt mit der Petersburger Agentur erfahre ich, dass unsere Pässe mit den Visa am Dienstag an Lotze verschickt worden seien. Es wird arrangiert, dass die freundliche Nachbarin die Wohnung im Auge behält, um das Einschreiben entgegenzunehmen. Das Reisebüro wird ausfindig gemacht und telefonisch geklärt, dass Hans die Fährtickets abholen kann. Es steht fest, dass Lotze auf keinen Fall die Reise antreten kann. Alle möglichen Leute rufen an, haben Gerüchte gehört und wollen wissen, wie es mit unserer Reise steht. Sogar Hartmut meldet sich aus Finnland.

Donnerstag, 10.8.2006:
Hans hat die Fährtickets vom Reisebüro erhalten. Auch Heiko hat zwischenzeitlich seine Versicherungsunterlagen in Händen. Aus Russland erreicht Geli ein Telefonat, man habe „heute“ die Pässe mit den Visa verschickt (hoffentlich aus der deutschen Niederlassung), glücklicherweise jetzt aber an meine Adresse. Um 16.38 kommt ein Mail aus Petersburg: Die Pässe sollen morgen bis 12.00 Uhr bei mir eintreffen. Um 21.00 Uhr stelle ich bei nochmaliger Durchsicht meiner Papiere fest, dass mein internationaler Führerschein zwar noch bis 2006 gültig war, aber nur bis zum 8. Juli.

Freitag, 11.8.2006:
Gut, dass ich für Freitag frei nehmen kann, um zu Hause auf das Eintreffen des Einschreibens mit den Pässen zu warten, falls es denn rechtzeitig kommen sollte. Schließlich will ich bereits nachmittags Richtung Rostock starten. Und auch gut, dass die Führerscheinstelle schon um 7.30 Uhr öffnet, sodass ich einen neuen Führerschein noch abholen kann, bevor Geli zur Arbeit muss. Solange hat sie den Briefkasten zu bewachen.

Es ist jetzt Freitagnachmittag, 14.00 Uhr. Das mit dem Führerschein hat geklappt, die Pässe sind auch da. Das Gespann steht gepackt auf dem Hof. Meine beiden verbliebenen Mitstreiter sind informiert und bald werde ich schon unterwegs sein, um die geplanten 900 km Landstrasse bis Rostock unter die Räder zu nehmen, wo wir Samstag um 23.00 Uhr mit der Fähre ablegen und uns auf den ersten Teil der Reise begeben werden. 

Freitag, 11.8.2006
Es ist 14.30 Uhr, als ich von zu Hause starte. Die schwarzen tiefhängenden Regenwolken über dem Odenwald veranlassen mich, den ursprünglichen Plan, nur Landstrasse zu fahren, aufzugeben und die mir gut bekannten Mittelgebirge Odenwald und Spessart auf der Autobahn zu umgehen. So steige ich erst im Vogelsberg in das Kurvengeschlängel der Landstrassen ein und werde auch gleich ordentlich gewaschen. Im Knüll entspringen den Wiesen kleine Bäche, die sich ihren Weg über die Strassen suchen und nur allmählich wird es trockener. So erreiche ich gegen Abend St. Andreasberg im Harz, wo ich mir eine kleine Pension zum Übernachten suche. Ein Stadtrundgang und ein ordentliches Abendessen in einer „Eingebohrenenkneipe“ schließen den Tag ab.
Ich habe heute 380 km zurückgelegt.

Samstag, 12.8.2006
Nach gutem Frühstück geht es auf landschaftlich reizvollen Strassen, die mir der Motorrad-Tourenplaner ohne viel eigenes Zutun herausgesucht hat, immer grobe Richtung Norden. Es herrscht bestes, trockenes Motorradwetter bei nur leichter Bewölkung, auch wenn das Termometer beim Start nur einstellige Temperaturen zeigt. Vorbei auch am Motopark Oschersleben nähere ich mich dem Tagesziel Rostock. Zum verabredeten Zeitpunkt telefoniere ich mit Hans und es stellt sich heraus, dass wir beide uns nicht mehr weit von Sternberg befinden. So beschließen wir, uns dort zu treffen und den Rest des Weges bis Rostock gemeinsam zurückzulegen. Heiko, der die Anreise ebenfalls im Alleingang zurücklegt, befindet sich zu diesem Zeitpunkt bei Freunden in der Nähe Berlins, bei denen er sich zum Essen eingeladen hat. Es bleibt trocken bis wir die ersten Hinweisschilder zum Fährhafen entdecken. Der dann folgende Wolkenbruch hätte uns zum pausieren gezwungen, hätten wir nicht bereits den Fährhafen erreicht. So sind wird froh, uns unter dem Dach des Supermarktes unterstellen und noch mit einigen Getränken und Lebensmitteln eindecken zu können. Nach Heikos Eintreffen checken wir in aller Ruhe auf der Fähre nach Trelleborg ein.
Ich habe heute 490 km zurückgelegt.

Sonntag, 13.8.2006
Es ist kein Sonntagswetter, als wir die Fähre in Trelleborg verlassen. Schon bald fängt es an zu regnen und der Regen wird uns den ganzen Tag begleiten. So können wir es uns nur anfänglich leisten, kleinere Nebenstrassen zu nehmen. Zu riskant ist es, den Fährtermin am Abend in Stockholm zu verpassen. Die durch die Zeitverschiebung fehlende Stunde macht sich ebenfalls bemerkbar. Wir legen an diesem Tag 770 km zurück und erreichen den Fährhafen Stockholm doch noch eine gute Stunde vor Beginn des Eincheckens nach Turku. Mit uns warten weitere Motorradfahrer, darunter ein dänisches Paar auf einer Gold-Wing, von denen wir erfahren, dass am Wochenende in St. Petersburg das erste internationale russische Gold-Wing-Treffen stattfindet, zu dem sie unterwegs sind.

Montag, 14.8.2006

Schon die Anfahrt auf den Hafen von Turku in Finnland ist atemberaubend. Das Schiff passiert tausende kleiner und kleinster Inseln, viele davon bebaut mit Wohnhaus, Gartenhaus, Bootssteg….

Vor dem Auschecken in Finnland waren wir schon am Vorabend gewarnt worden: Keine Grenzkontrolle, kein Personalausweis wird gefordert. Dafür Alkoholkontrolle für alle, die das Schiff verlassen. Bei uns zeigt das Röhrchen vorbildliche 0,00%. Wir dürfen fahren. Anders ein Pärchen, beide auf identischen Yamaha unterwegs. Sie schieben die Motorräder beiseite und verlassen den Hafen im Streifenwagen. Wohl zur Blutentnahme.

Trotz negativer Vorhersagen und starker Bewölkung ist es in Finnland nahezu trocken und so können wir es erstmals wagen, uns mit Hilfe des Navigationssystems auch auf kleinsten, teilweise unbefestigten Wegen durch Finnlands Wälder zu schlängeln. Leider lässt jedoch auch hier der Zeitplan ausgedehnte Abstecher nicht zu. Denn abends sollen wir in St. Petersburg die reservierte Wohnung übernehmen, deren Adresse wir noch nicht kennen.

Und wir wissen nicht, welchen Zeitrahmen die Grenzformalitäten an der russischen Grenze bei Vaalimaa in Anspruch nehmen werden, die wir gegen 14.00 Uhr erreichen. Dort treffen wir gerade noch den Dänen mit der Gold-Wing, der auf der Schnellstrasse durchgerauscht war und jetzt sichtlich genervt ist, weil er an der Grenze drei Stunden Aufenthalt hatte. Auch wir können drei Stunden später passieren, nachdem alle Formalitäten erledigt sind. Eine fast unglaublich gute Zeit, angesichts des im Normalbetrieb dort schon herrschenden Chaos und angesichts der Tatsache dass just zum Zeitpunkt unseres Eintreffens das gesamte Computersystem kollabiert und alle Formulare mit der Hand ausgefüllt werden müssen. Der vereinbarte Telefonanruf beim Wohnungsvermieter in Petersburg kommt nach dem dritten Versuch (falsche Vorwahl, Büro nach 17.00 Uhr nicht mehr besetzt) zustande und wir verabreden, uns erneut zu melden, sobald wir in St. Petersburg die Nikolsky Kathedrale gefunden haben, in deren Nähe sich die Wohnung befinden soll.

Auf der Fahrt über Vyborg nach St. Petersburg stellen sich die russischen Überlandstrassen als „gar nicht so schlecht“ heraus und wir nehmen uns vor, bei unserer Weiterfahrt ins Baltikum auch mal kleinere Strassen zu testen. Als ob nichts einfacher sei, als in einer Fünfmillionenstadt mit unzähligen Flüssen, Kanälen und Brücken ohne lesbare Strassenbeschilderung eine bestimmte Kirche zu finden, stürzen wir uns in das Verkehrsgewühl von Petersburg und sind gleich angetan von den Geschwindigkeiten, die dort im Stadtgebiet unter den Augen der Polizei gefahren werden. Es kommt uns teilweise vor, als sei 80 die vorgeschriebene Mindestgeschwindigkeit. Einmal müssen wir uns mit Hilfe einer Gruppe von Anglern am Ufer der Nerva kurz orientieren, um dann schon bald unsere Kreise um den aus einiger Entfernung sichtbaren Turm der Kathedrale zu ziehen. Die für zwei Nächte gemietete Wohnung liegt dann tatsächlich direkt auf der gegenüberliegenden Strassenseite und auch die Motorräder finden um die Ecke einen abgeschlossenen und bewachten Platz.

Wir haben an diesem Tag 550 km zurückgelegt, können es aber nicht lassen, abends noch die Stadt zu erkunden, in der das Leben pulsiert wie wohl in jeder westlichen Großstadt auch. Weil es angenehm warm ist, ziehen wir Döner und Bier auf der Strasse einem Restaurantbesuch vor und decken uns zum Schluss noch in einem 24 Stunden-Supermarkt für das Frühstück ein.

Dienstag, 15.8.2006
Ich gieße von der nachts gekauften Milch in meinen frisch gebrühten Kaffee und stelle sofort fest: sie ist sauer. Erster Gedanke: Die Lebensmittelversorgung in Russland ist wohl doch nicht so verlässlich wie zuhause. Also den Beutel in den Ausguss gekippt und den nächsten Beutel aufgerissen. Dieser wird jetzt erstmal ohne Kaffee probiert und siehe da: schmeckt gar nicht schlecht. Sogar richtig gut. Und anhand der Geschmacksprobe stellen wir fest: Es ist Buttermilch. Was Heiko nicht daran hindert, sie dennoch für den Kaffee zu verwenden. Unsere für diesen Tag vorgesehene Sightseeing –Tour, einen 13-stündigen Fußmarsch durch Petersburg, beginnen wir mit einer Besichtigung der Nikolsky-Kathedrale, schlendern über den Nevsky Prospect und die angrenzenden Seitenstrassen mit ihrer Vielzahl an sehenswerten historischen Gebäuden, bewundern am Alexanderplatz das Stehvermögen der auf Einlass in die Eremitage wartenden Menschenschlangen, bestaunen auf Peter und Paul kunstvoll geschaffene Sandskulpturen und verbringen viel Zeit damit, Hochzeitspaare zu beobachten. Einem alten Brauch zufolge fahren sie teilweise im Minutenabstand in Stretchlimousinen an der Landspitze gegenüber von Peter + Paul vor, um dort nach einem Tänzchen und einem Glas Sekt die Sektgläser zu zerschmettern.

Mittwoch, 16.8.2006
Früh aufstehen ist angesagt. 5 Uhr unserer Zeit. Frühstücken, Wohnung reinigen, Motorräer vom Parkplatz holen, packen, Wohnung übergeben. Es ist jetzt 8 Uhr unserer, 10 Uhr russischer Zeit. Und es ist das letzte mal, dass wir auf unserer Reise eine Zeitvorgabe haben. Wir machen uns auf einen Weg, für den es keinerlei vorbestimmte Festlegungen und Ziele gibt, außer nach zwei Wochen wieder zuhause zu sein. Auf unserem Weg in Richtung Estland wollen wir noch ein wenig an der russischen Ostseeküste entlang fahren. Doch einerseits ist vom Wasser wegen der vorhandenen Bewaldung nichts zu sehen, andererseits stoppt uns schon bald hinter Lomonosov ein russischer Militärposten, der zwar alle russischen Fahrzeuge passieren lässt, uns aber mit der Bemerkung „Road Closed“ zurückweist. Eine kurze Debatte mit den Militärs anhand unserer Karte führt zu nichts, außer dem Hinweis mit den Fingern, wir sollten doch die Hauptstrasse im Landesinneren benutzen.

Also drehen wir um, umgehen den Militärposten weiträumig um dann doch noch die auf der Karte gelb gezeichnete Küstenstrasse Richtung Kurgolovo zu erreichen. Dabei ist uns unser mitgeführter Kompass als Orientierungshilfe mehrfach sehr hilfreich. Die angebliche Landstrasse erweist sich als übelster Kopfsteinpflasterweg und auch vom Meer ist wieder nichts zu sehen. Zu allem Übel droht sich die Strasse am Ende der Landspitze in mehreren Waldwegen zu verlieren. Aber das Wetter ist gut, wir haben keinen Zeitdruck, und ein Zelt haben wir notfalls auch. Was soll da schon passieren. Im Garten einer Datscha bemerken wir eine Frau, die wir ansprechen. Ohne ein Wort zu verstehen zeichnet sie mit Hilfe ihrer Tochter für uns den weiteren Verlauf des Weges auf einen Zettel, sodass wir die verlorene Straße wieder finden und unserem Ziel, der estnischen Grenze bei Narva weiter entgegenhoppeln können.

Die Ausreise aus Russland ist in einer knappen Stunde erledigt und wir fahren in Richtung Süden zum riesigen Peipsi-See, dessen Mitte die Grenze zwischen Estland und Russland bildet. Hier machen wir erstmals Kontakt mit einem EU-Strassenbauprojekt, der sich allerdings anders darstellt, als man sich das gerne erhofft. Über einige Kilometer ist gerade der Strassenkörper aufgeschüttet, aus gröbstem Schotter, ohne Feinanteile. Während ich das Gesprann mit entsprechend hoher Geschwindigkeit geradezu über das spurendurchzogene Schotterfeld fliegen lassen kann, müssen die beiden Solisten auf ihren Strassenmotorrädern fast in den Lenker beißen um sie in der Spur zu halten.

Wir sind deshalb froh, als wir uns in einem Lebensmittelladen nach einer Übernachtungsmöglichkeit erkundigen können und dann im Gästehaus in Mustvee noch ein Doppelzimmer für uns drei erhaschen. Es ist der einzige Abend der Reise, an dem wir mangels örtlicher Restauration auf ein warmes Abendessen verzichten müssen. Der Stimmung tut dies allerdings keinen Abbruch, da wir ein lauschiges Plätzchen am Seeufer finden, an dem wir uns zu einem Picknick mit den stets im Seitenwagen mitgeführten Reserven niederlassen.
Gefahren sind wir an diesem Tag 440 km.

Donnerstag, 17.8.2006
Wir beschließen, Estland von Ost nach West zu durchqueren, um bei Pärnu / Pernau wieder die Ostsee zu erreichen. Die Hauptstrassen scheinen uns dafür zu einfach und so suchen wir uns für einen guten Streckenteil weiße Strassen auf der Karte aus. Diese sind fast ausschließlich in einem guten geschotterten Zustand ohne zu stark ausgeprägten Waschbretteffekt und lassen sich mit verminderter Geschwindigkeit einigermaßen angenehm befahren. Lästig ist die Staubentwicklung bei Trockenheit die Mensch und Maschine mit feinem weißen Mehlstaub überzieht. In Pernau sitzen wir an der Ostsee, essen Hamburger und Pommes und beobachten die Kite-Surver auf den Wellen. Wir verlassen Estland über die E67 entlang der Ostseeküste, auch eine EU-Strassenbaustelle. Diesmal aber schon asphaltiert und einspurig befahrbar, daher aber mit zahlreichen Ampelregelungen. Bei Saulkrasti finden wir einen Abzweig zu einem herrlichen Übernachtungsplatz direkt am Wasser und können an diesem Abend sogar noch ein erfrischendes Bad im Meer nehmen und das von der Gastgeberin zubereitete Abendessen auf der Terrasse einnehmen. Gefahren sind wir an diesem Tag 350 km.

Freitag, 18.8.2006

Über Riga wollen wir weiter an der Küste entlang. Doch zunächst bremst uns das unerwartet starke Verkehrsaufkommen in der Stadt und dann noch eine defekte Batterie. Bei der Ersatzbeschaffung sind uns zwei junge Leute, die wir auf der Strasse ansprechen, sofort behilflich. Sie stellen sich ohne zögern mit ihrem Auto zu Verfügung um die örtlichen Motorradhändler nach passendem Ersatz abzuklappern. Weil dies dann doch drei Stunden gekostet hat, tut es uns sehr leid, ihre Einladung auf ihren im Hafen liegenden Katamaran ablehnen zu müssen. Wir fahren noch ein Stück auf der Küstenstrasse entlang des Rigaer Meerbusens Richtung Nordwesten. Weil aber auch hier kein Wasser zu sehen ist, drehen wir bald nach Süden ab, suchen uns wieder kleinere Strassen, überqueren die Grenze nach Litauen und finden bei Siauliai / Schaulen einen kleinen Campingplatz, der sich damit rühmen kann im ADAC-Campingführer aufgelistet zu sein. Wir erhalten zwei Zimmer im Gästehaus, ein ordentliches Abendessen und dürfen den selbst an- und ausgebauten Wein aus schwarzen Johannisbeeren kosten. Gefahren sind wir an diesem Tag 380 km.

Samstag, 19.8.2006
Schon früh am Morgen besichtigen wir nach kurzer Fahrt den Berg der Kreuze, eine Wallfahrtstätte mit einer Ansammlung von sicher hunderttausenden von Kreuzen. Wir wollen größere Städte heute meiden und bewegen uns über Nebenstrassen weiter nach Süden. In einem östlichen Bogen durchqueren wir Litauen und erreichen die polnische Grenze an einem kleinen Grenzübergang bei Lazdijai östlich von Suwalki. Dank EU gestaltet sich der Grenzübertritt wie bei den beiden vorangegangenen Ländern als Angelegenheit von wenigen Sekunden. Auf dem Weg nach Gizycko / Lötzen in den Masuren überrascht uns ein Wolkenbruch. Ich bin nass bis auf die Haut bevor wir anhalten und uns unterstellen können. In Lötzen quartieren wir uns für die Nacht in einem kleinen Ferienhaus ein.

Sonntag, 20.8.2006
Auf unserer Reise haben wir die Ostsee bisher nur punktuell zu Gesicht bekommen. Wir wollen es daher heute ein letztes Mal versuchen, bevor wir uns ganz von ihr abwenden. Dicht an der Kaliningrader / Königsberger Grenze entlang fahren wir nach Westen. Dabei ergibt sich die Gelegenheit, Führerhauptquartier Wolfsschanze zu besichtigen, die wir ausgiebig war nehmen. Zu eindrucksvoll sind die Überreste der 30 gesprengten Bunker, die heute wahre Betonschluchten im Gelände bilden.

Übel wie diese Erinnerungen sind aber auch die im Grenzland weiterführenden Strassen. Kaum einmal, dass für das Gespann eine passende Spur zwischen den Schlaglöchern zu finden ist. Die Küstenstrasse Richtung Elblag / Elbing ist dann wieder in besseren Zustand. Wir suchen uns einen kleinen Hafen für ein kurzes Picknick aus und verabschieden uns bei einsetzendem Regen endgültig vom Salzwasser.

Auf anderer Route zurück in den südlichen Masuren finden wir erneut eine Bleibe auf einem Campingplatz. Nach 430 km sitzen wir unter einem Marktschirm beim Abendessen, als das stärkste Gewitter der Reise einsetzt. Wir sind glücklich, unsere Zimmer schon bezogen zu haben.

Montag, 21.8.2006
Der bisher problemlose Reiseverlauf hat uns dazu bewogen, auch die Slowakei und Tschechien in unsere Reiseplanung mit einzubeziehen. Wir starten Richtung Südost, wollen bei Wlodawa die russisch / ukrainisch / polnische Grenze erreichen und dann im polnisch ukrainischen Grenzgebiet zur hohen Tatra vorstoßen. Die Kartenabdeckung des Navis für Polen ist gut und so kommen wir ohne Orientierungsstopps voran. 600km haben wir zurückgelegt, als wir in dem kleinen Ort Dynow auf ein Hotel verwiesen werden, das wir gleich bei der Kirche um die Ecke finden. Es ist verschlossen und dunkel. Doch weil es schon dämmert versucht Hans, sich im Hof bemerkbar zu machen. Nach wenigen Augenblicken erscheint der Inhaber und beginnt sofort, uns noch auf der Strasse zu fotografieren. Es stellt sich heraus, er ist selbst Motorradfahrer, besitzt zwei Gold-Wings und ist auch über das Petersburger Treffen informiert. Selbstverständlich können wir bei ihm übernachten, auch wenn das Hotel eigentlich gerade geschlossen ist. Ein super Essen zaubert er uns auch in aller Kürze herbei und die Flasche von 60%igem Selbstgebrannten, die wir dann zu viert vertilgen, gibt uns den Rest. Für viel Kurzweil sorgen dabei auch Digitalbilder von den Ausfahrten seines Clubs in die hohe Tatra und die Bilder, die wir ihm dank Internet von unserer Homepage zeigen können. Die Sprache: er nur polnisch und Hans mit seinen Grundkenntnissen als Übersetzer, was spätestens nach dem dritten Schnaps einwandfrei funktioniert.

Dienstag, 22.8.2006
Das Frühstück will heute nicht so recht im Magen bleiben. Auf Anraten des Wirtes trinken wir Tee statt Kaffee. Mit einer Scheibe Zitrone und viel Zucker. Das soll helfen. Tut es auch. Bald ist die Reisebereitschaft hergestellt und wir machen uns auf ins Grenzland zur Slowakei. Es wird gebirgiger, auch Serpentinenstrecken finden wir und bei trockenen Straßen macht die Fahrerei wieder richtig Spaß. 495km kurven wir bis hinter Novy Targ, wo wir etwas außerhalb am Stausee des Dunajec abends Quartier beziehen.

Mittwoch, 23.8.2006
Über Zakopane und den dahinter liegenden kleinen Grenzübergang reisen wir in die Slowakei ein. Leider hat es wieder angefangen zu regnen und wir sehen kaum etwas von der herrlichen Gebirgslandschaft. Die Straßen sind gut aber die Griffigkeit des Asphalts läßt bei der Nässe sehr zu wünschen übrig. Wir realisieren dies spätestens, als unmittelbar vor uns ein Kleinwagen die Fahrbahn unsanft verläßt und im Graben landet. Nachmittags überqueren wir die tschechische Grenze. Nach 460 km beziehen wir ein „mexikanisches“ Hotel. Die beiden Solomotorräder dürfen aus Sicherheitsgründen im großen Saal des Hotels geparkt werden. Das Gespann bleibt auf der Strasse. Auch ihm ist nichts passiert.

Donnerstag, 24.8.2006
Es ist Zeit, wieder heimatliche Gefilde anzusteuern. Abends wollen wir in Augustusburg sein, um dort in der Jugendherberge zu übernachten. Nach oppulentem mexikanischem Frühstück begrüßt uns strahlend blauer Himmel. Das Navi zeigt uns immer wieder überraschend tolle Wege. Doch dann passiert, was irgendwann mal kommen muss: An unübersichtlicher Stelle verlieren wir Heiko. Keine Ahnung wo er abgeblieben ist. Handy abgeschaltet. Also weiter Richtung Elbsandsteingebirge / Grenzübergang Schmilka. Treffen wir uns halt in Augustusburg wieder. Wir fahren bis dahin 470km. Die Jugendherberge ist besetzt. Also Übernachtung im Ort: Hotel Cafe Friedrich. Dank Handy kommt Heiko auch.

Freitag, 25.8.2006
Nach 150 km schöner Landstrassen setzt heftiger Regen ein. Alles ist grau. Wir wollen nach Hause. Also ab auf die Autobahn.
620 km sind`s bis nach Hause. Um 18.00 Uhr bin ich da.

Fazit:
Das Motto der Fahrt muss erweitert werden:
Hardcore Tour II – Rund um die Ostsee – 7.080km durch zehn Länder Europas in vierzehn Tagen.
Ein einmaliges Erlebnis - wenig erholsam, aber mit zahllosen äußerst interessanten Eindrücken. Alle Schwierigkeiten in der Woche vor dem Start sind mit dem Start wie weggeblasen. Schade, dass Lotze nicht dabei sein konnte. Ohne seine Initiative hätte die Reise sicher nicht stattgefunden.